Wenn Eltern Krebs haben – kein Tabuthema für Kinder und Jugendliche
Psychosoziale Krebsberatungsstelle in Karlsruhe begleitet krebskranke Eltern und ihre Kinder

„Mama – was hast Du?“ Dies ist eine von vielen Fragen, die sich Kinder stellen, wenn ein Elternteil an Krebs erkrankt ist. Die Diagnose Krebs stellt nicht nur das Leben der Betroffenen auf den Kopf, sondern das gesamte Familienleben. Auch Kinder und Jugendliche, in deren Elternhaus eine Krebserkrankung auftritt, sind in einer schwierigen Situation. Sie erfassen intuitiv, dass sich in der Familie, bei den Eltern, etwas gravierend verändert. Und die Eltern selbst, stehen mit ihrer Krebsdiagnose vor dem Problem, wie sollen sie mit ihren Kindern über die Krankheit und dem, was sie mit sich bringt, sprechen.
Das familiäre System ist durch die Situation häufig überfordert. Viele Eltern haben den Impuls, ihre (meist minderjährigen) Kinder zu schonen, die Wahrheit über die Krankheit und ihren Verlauf zu verbergen. Aber ist das richtig? Kann man Kindern überhaupt etwas verbergen. Mit dieser Fragestellung kommen Eltern von kleinen Kindern und Jugendlichen in die Beratungsstelle. Alle treibt die Sorge um, sie könnten ihre Kinder mit der Diagnose belasten. Laut Fachstudien entscheidet sich etwa die Hälfte der Betroffenen dafür, nicht über die Krankheit mit ihren Kindern zu sprechen. Aus Sorge um das Wohl der Kinder, aus Angst, nicht die richtigen Worte zu finden.
Im gemeinsamen Gespräch ermuntern die Mitarbeiterinnen der Beratungsstelle die Eltern, mit den Kindern zu sprechen. Krebs sollte kein Tabuthema sein – auch nicht für Kinder. Eine Krebserkrankung ist bedrohlich. Sie bringt Veränderungen im Alltag, im familiären Zusammenleben mit sich. Folgen der onkologischen Behandlung werden im Aussehen der/des Betroffenen sichtbar. Das alles erleben die Kinder unmittelbar. Werden sie von der Krebserkrankung, ihren Auswirkungen und ihren Folgeerscheinungen ausgeschlossen, wirkt sich das verunsichernd auf sie aus. Kinder sind sensibel, haben feine Antennen für die sich verändernde Lebenssituationen. Sie merken, dass etwas nicht stimmt, dürfen es aber eigentlich nicht wissen. Das löst Ängste, oft auch Schuldgefühle, Verschlossenheit, Aggressionen und Stress bei ihnen aus. Sie reagieren oft unerwartet, ziehen sich zurück oder zeigen ungewohnte Verhaltensweisen. „Es zeigt sich, dass Offenheit die beste Möglichkeit ist, solche Auswirkungen zu vermeiden. Kinder können an schwierigen Situationen wachsen. Sie können lernen, dass das Leben nicht immer berechenbar ist. Sie können den Umgang mit Unsicherheit im Leben lernen“, ist Elke Rottenberg-Enghofer, Leiterin der Krebsberatungsstelle der AWO Karlsruhe überzeugt.
Wichtig für Eltern ist, auch auf unangenehme, sehr direkte Fragen ihrer Kinder, vorbereitet zu sein – auch auf die Frage „Mama, musst du sterben“. Eltern sollten die Informationen, die sie zu ihrem Krankheitsbild haben, nicht schönen, nicht verpacken, sondern entsprechend dem Alter des Kindes an dieses weitergeben. Sie sollten die Krankheit benennen. Das Kind sollte wissen, was die Mama, der Papa hat, wenn es von Außenstehenden darauf angesprochen wird.
In jeder Phase der Erkrankung ist es wichtig, trotz aller Unsicherheit den Kindern Sicherheit zu vermitteln. Das geht mit Hilfe der Fortsetzung von bestehenden Ritualen, wie dem abendlichen Vorlesen oder dem gemeinsamen Essen die fortgeführt werden oder mit Erklärungen zur Situation. Elke Rottenberg-Enghofer und ihre Kolleginnen der Beratungsstelle raten den Eltern: „Je geringer das Tabu ist, über die Situation zu sprechen, je weniger Angst haben die Kinder. Umso besser gehen sie mit der Situation um.“
Hilfe im Umgang mit der Krebserkrankung und mit der veränderten Familiensituation finden Betroffene sowohl in der AWO Krebsberatungsstelle Karlsruhe, in der Kronenstraße 15, als auch in der Außenstelle in Baden-Baden, in der Rheinstraße 164. Die Mitarbeiterinnen gehen auf die jeweilige Familiensituation ein und gemeinsam mit den Eltern, dem Vater, der Mutter wird nach Lösungen gesucht. Hilfreich dabei ist, dass die Beratungsstelle an den Jugendhilfeverbund der AWO angeschlossen ist. Hier stehen umfangreiche Unterstützungsmaßnahmen wie z. B. „Sozialpädagogische Familienhilfe“ oder „Flexible ambulante Maßnahmen“ zur Verfügung. So kann für jede Familie eine individuelle Situation geschaffen werden, die den Belastungen entgegenwirkt.
Das Team der Beratungsstelle setzt sich interdisziplinär aus Psychologinnen, Sozialarbeiterinnen, einer Diplom-Pädagogin und einer Gesundheitspädagogin zusammen. Ziel dieses ganzheitlichen, auf das Individuum und die jeweilige Lebens- und Krankheitsgeschichte ausgerichtete Beratungsrahmens ist es, zu helfen, einen eigenen Weg zu beschreiten, um mit Herausforderungen und Belastungen im Alltag umzugehen.
Anlässlich des Weltkrebstages am 4. Februar betont der Krebsverband Baden-Württemberg den hohen Stellenwert der regionalen Beratungs- und Informationsangebote in Baden-Württemberg.