Fachinformationen AWO Ambulanz

Die AWO-Ambulanz wurde 2002 als das Karlsruher Zentrum für die bundesdeutsche Studie zur heroingestützten Behandlung Opiatabhängiger gegründet. Bundesweit wurden in sieben Zentren 1032 Patienten in die Studie aufgenommen. Das Modellprojekt zur heroingestützten Behandlung Opiatabhängiger wird von einer gemeinsamen Initiative des Bundesministeriums für Gesundheit, der Länder Hamburg, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen sowie der Städte Bonn, Frankfurt, Hannover, Karlsruhe, Köln und München getragen.

In der klinischen Arzneimittelstudie, die von 2002 bis 2006 unter der wissenschaftlichen Leitung des Zentrums für interdisziplinäre Suchtforschung Hamburg stattfand, wurden die Effekte der heroingestützten Behandlung untersucht. Es handelt sich um eine kontrollierte und randomisierte Studie. Nach sorgfältiger Auswahl wurden die schwerstabhängigen Teilnehmer*innen durch Losentscheid (Randomisierung) in zwei Gruppen eingeteilt. Die eine Hälfte der Patient*innen erhielt im ersten Studienjahr Diacetylmorphin (Heroin), die andere Hälfte als Kontrollgruppe Methadon.

Das Studiendesign und die Studienergebnisse in ausführlicher Form sind unter www.heroinstudie.de zu finden. Ganz kurz lassen sich die Ergebnisse so zusammenfassen: die mit Heroin behandelten schwerstabhängigen Patient*innen

  • können besser in der Behandlung gehalten werden,
  • stabilisieren sich besser bezüglich ihrer körperlichen und psychischen Gesundheit,
  • konsumieren deutlich weniger illegale Drogen und
  • werden weniger straffällig

als die Patient*innen der mit Methadon behandelten Kontrollgruppe. Der Übergang in abstinenzorientierte Behandlung war in Experimental- und Kontrollgruppe vergleichbar hoch. Bei der Aufnahme von Arbeit gab es eine leichte Überlegenheit der Heroingruppe.

Warum heroingestützte Behandlung?

Als schwerstabhängig gelten langjährige Heroinabhängige, die von anderen Therapie angeboten der Suchtmedizin und Drogenhilfe nicht profitieren. In der Heroinstudie waren die Teilnehmer*innen bei der Aufnahme durchschnittlich 36 Jahre alt und 15 Jahre heroinabhängig. Sie hatten alle viele vergebliche Versuche gemacht, sich aus der Sucht zu befreien, waren mit allen Anläufen gescheitert und hatten sich oft aufgeben. In der Vergangenheit blieben sie dem Elend der Drogenszene überlassen, ihre Gesundheit war durch schwere Begleiterkrankungen bedroht, viele starben. Die Mortalitätsrate bei unbehandelten Heroinabhängigen liegt in Deutschland bei 3% jährlich!

Die Studie belegte eindeutig, dass sich auch mit dieser Gruppe von Abhängigen beachtliche Therapieerfolge bis hin zur Abstinenz erzielen lassen, wenn heroingestützte Behandlung mit einem sozialtherapeutischen Programm kombiniert wird. Heroingestützte Behandlung orientiert sich an einer Hierarchie von Zielen. Wie bei jeder Suchtbehandlung gilt die Überwindung der Abhängigkeit als oberstes Ziel. Im Sinne eines Stufenprogramms gibt es darunter viele Teilziele. Zunächst geht es um das Überleben und die Besserung der Gesundheit, um Überwindung von Obdachlosigkeit und soziale Stabilisierung, dann um Distanz zur Drogenszene und Kriminalität, um Aufnahme einer Beschäftigung und therapeutische Arbeit an der Bewältigung der Sucht. Mit einem solchen therapeutischen Stufenprogramm lassen sich auch suchtmittelabhängige Menschen erreichen, die von vorher gescheiterten Versuchen völlig entmutigt sind.

Jetzige Aufnahmekriterien in diese Form der Substitution sind ein Mindestalter von 23 Jahren mit einer mindestens seit 5 Jahren bestehenden Opiatabhängigkeit verbunden mit schwerwiegenden körperlichen und psychischen Störungen bei derzeit überwiegendem i.v-Konsum und mindestens 2 nachgewiesenermaßen erfolglosen Behandlungen der Opiatabhängigkeit mit dem Nachweis einer mindestens 6monatigen Substitutionsbehandlungnach §5, Abs 2.6 und 7 BtMVV.

Das therapeutische Programm der AWO-Ambulanz

Neben der heroingestützten Behandlung bietet die AWO-Ambulanz seit 2004 auch die Behandlung mit zugelassenen Substitutionsmitteln wie Methadon, L-Polamidon und Buprenorphin an. Unabhängig von der Substanz, mit der die Patient*innen behandelt werden, nehmen die Abhängigen an einem differenzierten therapeutischen Programm teil. Weil viele Drogenabhängige neben ihrer Sucht auch unter einer psychischen Erkrankung leiden, wird die tägliche suchtmedizinische Behandlung durch eine regelmäßige psychiatrische Sprechstunde ergänzt. Regelmäßige Gespräche mit den Ärzt*innen sowie den Sozialarbeiter*innen der AWO-Ambulanz werden von allen Patient*innen genutzt. Einmal wöchentlich findet zusätzlich zu den Einzelgesprächen Gruppentherapie statt. Eine weitere wichtige Hilfe bei der sozialen Integration ist ein arbeitstherapeutisches Angebot. Insgesamt gilt es nach manchmal 20-30 jährigem Suchtmittelkonsum die Basis für ein suchtmittelfreies Leben zu bereiten, für das „normale“ Leben zu trainieren, damit süchtige Verhaltensweisen immer mehr an Bedeutung verlieren.

Die Zukunft der AWO-Ambulanz

Die AWO-Ambulanz ist zu einem unverzichtbaren Bestandteil des Karlsruher Drogenhilfesystems geworden. Von dem Behandlungsprogramm profitieren auch Abhängige, die in der Vergangenheit nicht erreicht wurden. Lokale und überregionale Medien haben in den letzten Jahren häufig über die Arbeit der AWO-Ambulanz berichtet. Von den Karlsruher Bürger*innen, von politisch Verantwortlichen wie auch von der Fachöffentlichkeit erfährt die Einrichtung viel Anerkennung. Dass in Karlsruhe so gut wie keine offene Drogenszene mehr existiert, ist nicht zuletzt der Arbeit der AWO-Ambulanz zu verdanken.

Seit Jahren hat die heroingestützte Behandlung in Karlsruhe über alle Parteigrenzen hinweg viel politische Unterstützung erfahren. Entscheidungen im Gemeinderat über die Förderung der AWO-Ambulanz fielen einstimmig. Die Stadt Karlsruhe hat sich in den letzten Jahren finanziell, politisch und ideell erheblich engagiert, um diese innovative Suchtbehandlung für Schwerstabhängige zu ermöglichen.

Mit der Beteiligung der Krankenkassen an den Behandlungskosten für die Diamorphinvergabe lässt sich nun ein Großteil der auf Grund gesetzlicher Vorgaben erheblichen Kosten darüber erwirtschaften, dennoch wird eine weitere Unterstützung seitens der Stadt Karlsruhe insbesondere für die psychosoziale Begleitung auch zukünftig notwendig bleiben.

Kontakt

AWO-Ambulanz
AWO Ambulanz
Dr. med. Christoph Stoll, Leiter
Manfred Reich, Arzt
Rebecca Fischer, Praxismanagerin

Durlacher Allee 53
76131 Karlsruhe

Tel.: 0721 50447-30
Fax: 0721 504473-50
E-Mail: awo-ambulanz@awo-karlsruhe.de