Medizinische Heroinabgabe an Schwerstabhängige? Das klingt wie ein Widerspruch. Doch für Menschen, die heroinabhängig sind, kann dies die letzte Rettung sein. Deswegen wurde vor 20 Jahren mit der Ambulanz der AWO Karlsruhe gemeinnützige GmbH eine Einrichtung geschaffen, um genau diesen Frauen und Männern zu helfen. Rund 85 % der opioidabhängigen Frauen erlebten sexualisierte Gewalt. Dass diese Patient*innen die Hauptwirkung des Heroins, ein Gefühl von innerer Wärme und Geborgenheit suchen, verwundert nicht. Dies kann das oral eingenommene Ersatzmedikament Methadon nicht vermitteln. Deswegen ist die Behandlung mit Diamorphin umso effektiver.
Ein weiterer Vorteil ist, dass nicht nur viel Leid und körperliche Erkrankungen, sondern auch die Beschaffungskriminalität verhindern werden kann. Man sieht die 50 Patient*innen der Diamorphin-Ambulanz nicht auf dem Werderplatz in der Karlsruher Südstadt. „Ohne die Angebote für Drogengebraucher*innen sähe es auf den Karlsruher Straßen und Plätzen ganz anders aus“, betont Dr. Christoph Stoll, Leiter der AWO Ambulanz. Wichtig sei, dass das Programm keine Endstation darstelle. Es biete die Möglichkeit, sich und seine Lebenssituation zu stabilisieren und sich nach und nach aus der Drogenszene zu lösen.
Diamorphin als pharmakologisch hergestelltes reines Heroin wird ebenfalls aus Opium hergestellt, ist aber im Vergleich zum sogenannten „Straßenheroin“ ein Medizinprodukt und frei von gefährlichen Streckstoffen. „In England war Diamorphin nie verboten, sondern wurde stets als Medikament in der Schmerzbehandlung angewendet, sogar in der Geburtshilfe. Genauso verwenden auch wir das Diamorphin: als Medikament“, erklärt Dr. Christoph Stoll
Ein bis zwei Mal täglich spritzen sich die Patient*innen das Diamorphin in einer an sie angepassten Dosis unter ärztlicher Aufsicht in der Einrichtung. Dies ermöglicht eine engmaschige Betreuung vor Ort mit einem täglichen Angebot offener ärztlicher und psychosozialer Sprechstunden und psychiatrischen Gesprächen.