In unserer Jugendhilfe-Einrichtung FAE Löwenherz führen die pädagogischen Fachkräfte regelmäßig, zusammen mit den Teilnehmenden, kleine und große Reparaturen an Fahrrädern durch. Vor ein paar Tagen kam ein Jugendlicher zu einem Termin in unsere Einrichtung und erzählte, dass seine Gang-Schaltung nicht mehr richtig funktioniert. Also machten wir uns gemeinsam an die Reparatur.

Gewinn an Autonomie: Das eigene Fahrrad selber reparieren können

Spontan, geplant, in der Gruppe oder wie an diesem Tag im Rahmen der Bezugsbetreuung: Fahrräder stellen nicht erst seit der inzwischen präsenten Klimaerwärmung und anstehenden Verkehrswende im Mittelpunkt der Mobilität von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Ein Fahrrad kann Unabhängigkeit und Freiheit bedeuten, zweckdienlich oder zum Spaß genutzt und schnell oder langsam gefahren werden. Daher ist ein intaktes Fahrrad und dieses selbst reparieren zu können, von großer Bedeutung für den Erhalt und den Gewinn von Autonomie. Die dabei entstehenden Erfolgserlebnisse können darüber hinaus die Selbstwirksamkeitserwartung unserer Betreuungen stärken.

FAE Loewenherz AWO Karlsruhe

„Reparaturauftrag“ – viele Parallelen zur täglichen Arbeit in der Jugendhilfe

Hinter der praktischen Ebene, dass das Fahrrad fahrenswert bleibt und dass lebenspraktische Kompetenzen vermittelt werden können, verbirgt sich bei genauerer Betrachtung eine Parallele zu unserer alltäglichen Arbeit. An die FAE wird häufig ein „Reparaturauftrag“ für junge Menschen gerichtet, da eine scheinbare Kausalität zwischen Problem und Lösung besteht. Es soll einfach die richtige Schraube gedreht und gefunden-, beziehungsweise die Bremstätigkeit überprüft werden.

Interpretations-Spielraum: Warum muss etwas „repariert“ werden?

Aber warum ist das so? Sind die Bremsklötze runter gefahren und sollten getauscht werden? Sind die Fasern des Bremszuges, verdeckt in der Ummantelung, gerissen oder verdreckt? Ist es überhaupt die Bremse? Wurde der Schalthebel, der an einem anderen Fahrrad noch funktioniert hat, getauscht und funktioniert im neuen Fahrrad-System nicht? Ist bei gut gemeinter Pflege und Wartung Öl auf die Felge gekommen? Gab es einen Unfall und das Rad hat einen Achter, weshalb die Bremsklötze ungenügend greifen? Ist der Bremshebel zu nah oder zu weit entfernt? Ist der Zug zu straff oder zu locker? Stellt die Bremskraft für die Fahrer*in überhaupt ein Problem dar oder nur für die*den Betrachter*in? Braucht das Fahrrad, bspw. ein BMX, überhaupt eine Bremse, um in seinem Kontext zu funktionieren?

Viel Spaß beim Interpretieren!