IWgR OV Groetzingen 2023 AWO Karlsruhe

Im Rahmen der diesjährigen Karlsruher Wochen gegen Rassimus hat unser Ortsverein Ortsverein Grötzingen Günther Fischer für einen Vortrag über das Schicksal seiner jüdischen Familie eingeladen. Er war vier Jahre alt, als seine Geschwister Lotte und Rudi, 13 und 14 Jahre alt, ihn mit ihrer gesamten kargen Habe in ein Leiterwägelchen setzten und zu Fuß von Flehingen nach Büchig brachten. Ortsgruppenleiter Albert Murr aus Hagsfeld hatte die Mutter Regina Fischer ausfindig gemacht und gab Veranlassung zu ihrer Verhaftung und Deportation nach Theresienstadt. Selbst dass ihr evangelischer Ehemann als Soldat in Stalingrad vermisst war, half der Tochter aus der jüdischen Grötzinger Familie Traub nichts.

„Es ist ein sehr emotionales und frohes Ereignis für mich, wenn ich heute hier vor Ihnen in Grötzingen stehe. Fast wie zu Hause zu sein!“ Zunächst berichtet der ehemalige Karlsruher Stadtrat und Landtagsabgeordnete Fischer jedoch nicht von seiner Familie, sondern von Ludwig Marum, dem Karlsruher Sozialdemokraten, Rechtsanwalt, Juden und Reichstagsabgeordneten. Dieser war 1928 maßgeblich an der Abschaffung der Todesstrafe in Deutschland beteiligt und hatte 1933 im Reichstag gegen das Ermächtigungsgesetz gestimmt, zusammen mit seiner SPD-Fraktion. Diese lehnte als einzige das Gesetz ab, mit dem der Reichstag sich selbst abschaffte und die deutsche Demokratie endgültig dazu. Marum wurde mit anderen im Triumphzug vom Pöbel durch Karlsruhe geführt, in Kislau inhaftiert und dort, als Selbstmord inszeniert, schließlich erhängt. „Mit der Verleihung des Ludwig-Marum-Preises 2019 an Nora Krug wurde mir klar, dass ich Erinnerung und historisches Wissen an junge Menschen bringen muss. Seither besuche ich gerne Schulen und berichte dort von meiner Familie.“

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Günter Fischers Mutter Recha Regina heiratete Erwin Fischer in Hagsfeld. Ihre sechs Kinder wurden evangelisch getauft und erzogen, obwohl Recha die jüdischen Feiertage wahrnahm. In das dörfliche Leben Hagsfelds war die Familie gut integriert, auch nachdem der Familienvater Erwin 1940 zur Wehrmacht eingezogen wurde. Recha blieb mit den Kindern, das jüngste wurde erst 1941 geboren, im Haus der Schwiegereltern. In der Bombennacht vom 24. auf den 25. April 1944 wurde ihr Wohnhaus vollständig zerstört. Recha zog in eine Wohnung auf dem Hof eines Bekannten in Hagsfeld. In dieser Nachbarschaft wohnte auch der Ortsgruppenleiter Murr, welcher keine Jüdin nebenan dulden wollte. Er drohte gleich, sie werde nicht lange an diesem Ort bleiben, dafür würde er schon sorgen! Um bei ihrem in Flehingen mit dem Tode ringenden Sohn zu sein und auch um den zunehmenden Repressalien in Hagsfeld zu entgehen, zog Recha 1944 mit den drei jüngsten Kindern zu Bekannten nach Flehingen.

Günter Fischer berichtet im Niddaraum der Begegnungsstätte vom Elend im Lager Theresienstadt und der Rückkehr seiner Mutter nach Hagsfeld. Ebenso von der Deportation seiner jüdischen Familie nach Gurs und deren Sterben und Ermordung in Konzentrationslagern. Im Gedenkbuch für die Grötzinger Juden und im Karlsruher Gedenkbuch sind diese Schicksale dokumentiert. Als Regina Fischer 1955, wohl an den Folgen der Typhus-Erkrankung aus Theresienstadt, stirbt, konnte der jüdische Friedhof in Karlsruhe die Menschenmenge kaum fassen, die an ihrem Tod Anteil nehmen wollte. Etwa 50 Zuhörer, darunter 13 Gäste waren zur Veranstaltung gekommen, denn: „Das alles kann wieder passieren, wenn wir unsere Demokratie nicht schützen“, warnte Günter Fischer und Beate Ebendt, die Vorsitzende der AWO Grötzingen, ergänzte: „Rassismus ist eine Bedrohung für die freie Entfaltung der Persönlichkeit. Rassismus gefährdet unsere Demokratie!“ (Quelle: Uschi Steinhardt-Stauch)

Gedenkbuch für die Grötzinger Juden: eine kleine Restauflage ist gegen Spende noch beim Ortsverein der AWO zu erwerben.
Kontakt: Beate Ebendt, Tel. 0721 4767793 oder Lena Raviol, Tel. 0721 463620