PRESSEMITTEILUNG
Zum Tag der Pflege am 12. Mai fordert die AWO Karlsruhe dringend nötige Reformen
Karlsruhe (ts). Wenn ein Mensch stürzt. Wenn die Kräfte im Alltag schwinden. Wenn klar wird: Allein geht es nicht mehr. Dann beginnt oft eine neue Lebensphase. Viele wünschen sich, so lange wie möglich zu Hause zu bleiben. Das gelingt mit Unterstützung durch Familie, Ehrenamt oder ambulante Dienste. Aber manchmal reicht das nicht. Dann steht ein Umzug ins Pflegeheim an. Eine schwere Entscheidung. Und oft ein Schock, wenn die Kosten sichtbar werden. “ Als wir die Zahlen sahen, hatte meine Mutter Tränen in den Augen“, erzählt die Tochter einer Bewohnerin. Ihre Mutter, Anfang 80, verwitwet, war früher Sachbearbeiterin. Die Rente reicht nicht, auch das Geld der Tochter nicht. Die Familie musste Sozialhilfe beantragen. So etwas erleben die Teams in den sieben Seniorenzentren der AWO Karlsruhe immer öfter. Der Abstand zwischen dem, was Pflege kostet, und dem, was Menschen aufbringen können, wird größer.
Clarissa Simon, Prokuristin und Geschäftsbereichsleiterin Gesundheit und Pflege bei der AWO Karlsruhe gemeinnützige GmbH, spricht von einer spürbaren Zunahme der Fälle, in denen der Einzug in ein Pflegeheim nur mit einem Antrag auf Sozialhilfe möglich sei – schon vor dem ersten Pflegetag. Andere seien später auf Sozialhilfe angewiesen, wenn ihre Ersparnisse im Laufe des Aufenthaltes aufgebraucht sind. „Das trifft auch Menschen, die jahrzehntelang gearbeitet haben“, berichtet Simon. „Für viele ist das unangenehm und beschämend.“ Zum Internationalen Tag der Pflege am 12. Mai macht die AWO Karlsruhe deshalb deutlich: Pflege darf nicht vom sozialen oder finanziellen Status abhängen. Im Durchschnitt müssen Pflegebedürftige bundesweit rund 2.984 Euro im Monat selbst aufbringen, in Baden-Württemberg sind es sogar 3.237 Euro. In den sieben Pflegeheimen der AWO Karlsruhe kann fast die Hälfte der Bewohner*innen diese Summen nicht alleine aufbringen – 43,7 % sind auf Hilfen zur Pflege angewiesen. Trotz bestehender Zuschüsse zur Entlastung und Dynamisierung der Leistungssätze ist in den nächsten Jahren mit einem weiteren Anstieg der pflegebedingten Eigenanteile – inklusive Unterkunft, Verpflegung und Investitionskosten – zu rechnen. Die notwendige Verbesserung der Bezahlung des Pflegepersonals und die damit verbundenen Tarifsteigerungen, aber auch die Inflation und gestiegene Sachkosten haben die Pflege weiter verteuert. Die derzeitige Finanzierung der Pflege ist auf Dauer nicht mehr tragbar.
Pflegebedürftige und ihre Angehörigen müssen dauerhaft finanziell entlastet werden. Eine Reform der Pflegeversicherung insgesamt ist seit Jahren dringend notwendig und wird von der Mehrheit der Fachverbände, der Wohlfahrtsverbände und Teilen der Politik gefordert. Die Pflegeversicherung wurde 1995 als Teilkasko-Modell eingeführt. Das reicht aber längst nicht mehr aus. Immer neue Beitragserhöhungen lösen das Problem nicht. Sie verschieben es. Pflege ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Sie gehört zur Daseinsvorsorge wie Wasser, Strom oder Bildung. Pflege ist mehr als eine private Angelegenheit. Sie ist Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Jetzt braucht es eine Reform, die Pflegebedürftige finanziell absichert und das System zukunftsfest macht – nicht irgendwann, sondern jetzt.
Im Koalitionsvertrag „Verantwortung für Deutschland“ benennen CDU, CSU und SPD erhebliche Defizite in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Um einer weiteren Belastung der Versicherten entgegenzuwirken, soll eine Kommission unter Beteiligung der Sozialpartner eingesetzt werden. Sie soll die gesundheitspolitischen Maßnahmen der Koalition in ihrer Gesamtheit überprüfen und Vorschläge zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung bis 2027 vorlegen (S. 105, Z. 3352-3360).
„Wir sind gespannt, ob die neue Regierung eine echte Pflegereform auf den Weg bringt, die nicht zu Lasten der Pflegebedürftigen geht, sondern ihnen und ihren Angehörigen ein Altern in Würde sichert und sie nicht in Sozialhilfeabhängigkeit und Altersarmut zwingt. Wir brauchen endlich eine grundlegende Reform der Pflegeversicherung und keine kleinteiligen Lösungen“, so Clarissa Simon.
Pflege am Limit – immer mehr Menschen auf Sozialhilfe angewiesen
Zum Internationalen Tag der Pflege sprach Martin Höfer, Sachgebietsleiter des Geschäftsbereichs Gesundheit und Pflege, im Studio von Baden TV über die dramatische Entwicklung im Pflegesystem: Fast jede zweite Person im Pflegeheim ist auf Sozialhilfe angewiesen. Im Interview erklärt er, warum die aktuelle Finanzierung nicht ausreicht – und was sich dringend ändern muss.
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